Immer, wenn ich in England war, habe ich mich über die höflichen und freundlichen Engländer gefreut. Verglichen mit dem eher rauen Charme der Deutschen wähnte ich mich auf der Insel stets im Mutterland der Nettigkeit. Seit kurzer Zeit weiß ich es besser: Die Schotten sind es, die die Freundlichkeit quasi mit Löffeln gefressen haben! Es ist wirklich auffällig, wie nett die Menschen in Edinburgh (und vermutlich auch im Rest von Schottland) sind! Wir waren 4 Tage dort, und es verging kein Tag, an dem wir nicht mehrere besonders nette Erlebnisse und/oder Gespräche mit Einheimischen hatten. Ob es „nur“ der Tischnachbar im Pub war, der sich sogleich sehr dafür interessierte, was uns nach Edinburgh geführt hatte und woher wir kamen, oder der Mann an der Theke, der auch dem begriffsstutzigsten Touristen geduldig erklärte, welche Besonderheiten die jeweiligen Biere aufwiesen, der Mann im Self-Service-Frühstück-Café, der einem noch schnell die Schüssel mit Porridge an den Tisch trug, obwohl eine lange Schlange wartete (natürlich ohne zu murren) – überall begegnete man uns extrem freundlich, interessiert und niemals genervt. Ich könnte jetzt etliche kleine Geschichten erzählen, aber das würde zu lange dauern, und ich will ja noch ein paar Eindrücke von „Edinbarra“ (so sprechen die Einheimischen es aus) loswerden.
Geflogen sind wir ab Berlin-Schönefeld mit easyjet (die mich zwar immer ein bisschen nerven, weil man zum Handgepäck keine Handtasche mehr mitnehmen darf, diesen Umstand aber wenigstens mit sehr günstigen Preisen ein wenig wettmachen). Nach einer Stunde und 50 Minuten hatten wir beim Landeanflug schon einen atemberaubenden Blick auf den Küstenvorort Leith, wo auch die königliche Yacht Britannia liegt.
Mit dem blauen „Airlink“-Bus ist man in einer halben Stunde im Stadtzentrum an der Waverley Station. Tickets kann man für 5,50 (one-way) oder 7,50 Pfund (return) beim Fahrer oder in einem Büdchen neben der Haltestelle kaufen. Meine Frage „Can I have 3 return-tickets, please?“ wurde mit einem dröhnenden „Of course you can, dear!“ beantwortet. Es fing also alles schon sehr nett an 😀… Übrigens, wenn Ihr Euch nicht gleich als ignorante Touristen outen wollt, müsst Ihr Euch beim Aussteigen aus dem Bus (also aus jedem Bus) immer kurz beim Fahrer bedanken. Das „Thank you, driver“ gehört in Schottland einfach zum gutem Ton.
Unser Hotel war das ibis Edinburgh Centre, das direkt in der Altstadt an der berühmten Royal Mile liegt. Preislich lag es deutlich über den deutschen Ibis-Hotels (wir haben pro Nacht und Zimmer rund 160 Euro gezahlt – ohne Frühstück!), was aber der Großstadt und der Lage geschuldet war. Das Hotel selbst war modern und die Zimmer völlig okay (sehr nett wie überall im UK der Gratis-Tee und -Kaffee auf dem Zimmer), die Lage war ganz fantastisch. Von dort konnte man die meisten Sehenswürdigkeiten bequem zu Fuß erreichen, und von der Airlink-Endstation Waverley Station waren es nur gute 5 Minuten zu Fuß.
Am ersten Nachmittag haben wir uns einfach mal über die Royal Mile in der Altstadt treiben lassen, haben das Edinburgh Castle von unten bewundert, ein wenig schottische Luft geschnuppert und uns orientiert. Es lohnt sich tatsächlich, immer mal einen Blick in die kleinen Nebenstraßen („Closes“) zu werfen. Man kann sich kaum vorstellen, dass dort in früheren Zeiten viele Menschen gelebt und gearbeitet haben und die ohnehin schon sehr engen Gassen zum Teil auch noch durch Marktstände versperrt waren…
Bei der Gelegenheit haben wir auch entdeckt, wo der Startpunkt der Free Tour war, die wir am nächsten Tag mitmachen wollten (gleich um die Ecke von unserem Hotel vor dem Starbucks). Die Touren starten täglich um 10, 11, 13 und 14 und es empfiehlt sich wegen der großen Nachfrage wirklich, vorher online unter http://www.neweuropetours.eu/Edinburgh zu reservieren, denn dann hat man tatsächlich einen Platz sicher und muss nicht in die Schlange mit den „Unreservierten“ zur Seite treten und hoffen, dass man noch mit darf.
Diese „Free Tours“ basieren auf dem Trinkgeld-Prinzip – bist du zufrieden, gibst du viel, bist du es nicht, gibst du wenig oder nichts. Unser schottisch-australischer Guide David hat aber gleich zu Anfang der Tour sehr clever psychologisch vorbereitet, dass niemand weniger als 10 Pfund gegeben hat, einfach, indem er den Betrag erwähnte… 😉 Er war sein Geld aber wirklich wert, die Tour war lustig und informativ und die 3 Stunden gingen rum wie nix. Ich kann Euch diese Free Tours wirklich empfehlen, sie bekommen auch bei tripadvisor die besten Noten – zu Recht. Wir haben die englischsprachige Tour mitgemacht, die sehr gut zu verstehen war – es gibt aber auch deutsche und spanische Touren!
Außer den normalen werden auch spezielle Harry Potter-Touren durchgeführt, die haben wir dieses Mal aber nicht gemacht, zumal David uns auch einige Schauplätze gezeigt hat, wie das Elephant Café, in dem J.K. Rowling den ersten Band geschrieben hat, die Schule, die das Vorbild für das Zauberinternat Hogwarts war oder den Friedhof mit dem Grabstein von Thomas Riddell, der zwar ein wenig anders geschrieben wird, der aber nach Auskunft von Frau Rowling der Namensgeber für Lord Voldemort war.
Was das Harry-Potter-Feeling in Edinburgh angeht: Alle erzählen ja immer, die Victoria Street habe J.K. Rowling zur Diagon Alley, also Winkelgasse, inspiriert. WIR haben aber auch noch die ganz echte Nokturngasse entdeckt. Seht selbst:
Natürlich gibt es außerdem noch jede Menge anderer Stories über Edinburgh und seine menschliche und sogar tierischen Bewohner, wie zum Beispiel die Geschichte von Bobby, dem treuen Hund eines Friedhofswärters, der nach dem Tod seines Herrchens noch jahrelang über dessen Grab gewacht hat – und die angeblich wahre Geschichte dazu, dass es nämlich gar nicht immer Bobby, sondern zeitweise auch dessen Hundefreundin war, die genauso aussah wie Bobby und, als Bobby schon längst dazu übergegangen war, doch lieber wieder drinnen im Warmen zu schlafen, auf dem Grab auf Bobby wartete.
Da wir uns gemeinsam mit David in den 3 Stunden noch nicht genug die Füße platt gelatscht hatten, sind wir am Nachmittag noch in Richtung Holyrood House und Arthur’s Seat spaziert. Das Holyrood House ist der königliche Wohnsitz, wenn die Queen in Edinburgh weilt, was mindestens jedes Jahr im Sommer einmal passiert, weil da immer so ein offizieller Empfang stattfindet. Wir haben den Palast nicht von innen angesehen, weil wir doch schon so einige Schlösser und Schlösschen besichtigt haben, und, seien wir mal ehrlich – kennste einen, kennste alle 😉
Statt dessen sind wir auf den Arthur’s Seat geklettert, einen großen Hügel, von dem aus man einen tollen Blick auf die Stadt hat. Ich habe es nicht ganz hoch geschafft, weil ich unter übelster Höhenangst leide, aber von da, wo ich mich schließlich ins Gras gesetzt habe, konnte man auch schon schön gucken.
Am nächsten Tag haben wir uns wieder einem freundlichen Busfahrer anvertraut und uns morgens erst mal auf den Weg nach Roslyn Chapel gemacht. Wer Dan Browns „Sakrileg“ und die Verfilmung mit Tom Hanks („The DaVinci Code“) kennt, weiß, wovon ich spreche. Mit dem Bus ist man in gut 20 Minuten da und der Busfahrer sagt einem genau, wo man raus muss, wenn man ihn fragt. Ein One-way-Ticket kostet 1,60 Pfund, Tagestickets 4 Pfund (lohnt sich also nur, wenn Ihr an dem Tag noch woanders mit dem Bus hin wollt). Der Eintritt in die Kapelle kostet 12 Pfund – und wenn ich ganz ehrlich bin, fand ich sie von außen beeindruckender als von innen. Leider kommt man ohne Ticket nicht nahe genug ran und kann dann höchstens mal ein Bildchen übern Zaun schießen. Außerdem finanzieren der Earl und die Duchesse of Roslyn so den Erhalt der Kirche – also alles für nen guten Zweck 😉
Nachmittags haben wir dann endlich den Aufstieg zum Edinburgh Castle gewagt. Die Burg ist ja weithin zu sehen, weil sie hoch oben auf einem vulkanischen Felsen liegt. Für 17 Pfund pro Nase plus 3,50 für den Audioguide haben wir einige Stunden das Burggelände erkundet und viel über die Geschichte der Stadt gelernt.
Von dort oben hat man natürlich auch einen genialen Panoramablick hinunter auf die Stadt und das Meer am Horizont:
Für alle Royalisten unter Euch: Nicht weit von Edinburgh entfernt, im Küstenvorort Leith liegt die königliche Yacht „Britannia“ als Museumsschiff vor Anker. Queen Elisabeth II. ist damit über 40 Jahre lang mitsamt der königlichen Familie durch die Weltmeere geschippert, dann durfte die Britannia in Rente gehen – im Gegensatz zu ihrer Majestät. Ich weiß jedenfalls jetzt, dass das Geheimnis wirklich langjähriger Ehen getrennte Schlafzimmer sind 😉 Die Queen und Prinz Philip jedenfalls praktizieren das mit Erfolg…
Die Anlagestelle der Britannia ist übrigens Teil einer riesigen, vom Architekturpabst Terence Conrad entworfenen Mail namens Boardwalk. Wer Platz im Koffer hat, kann dort auch noch mal Shoppen – wir haben es uns geschenkt und sind statt dessen mit einem weiteren unfassbar freundlichen Busfahrer zu den botanischen Gärten gefahren. Für die Liebhaber englischer Gärten ein Muss – man kann dort wunderbar durch die gepflegten Anlagen flanieren und in einem der gut geführten Cafés eine kleine Lunchpause einlegen. Vom „Terrace“-Restaurant aus hat man einen tollen Blick auf die Silhouette der Stadt.
Wer einigermaßen gut zu Fuß ist, kann von den Botanic Gardens aus gemütlich zum Dean Village schlendern, einem geradezu verwunschenen, dörflichen Vorort von Edinburgh. Hier scheint die Zeit geradezu stillzustehen. Man läuft sehr schön entlang des Water of Leith Walkway, der auch ausgeschildert ist, und entdeckt eine ganz andere, grüne und wildromantische Seite der Großstadt Edinburgh.
So, nun zu den wichtigen Dingen: Essen und Shopping. Wie sicher die meisten von Euch schon gehört haben, ist die örtliche Delikatesse in Edinburgh Haggis – Schafsmagen gefüllt mit Fleisch und Innereien. Eher nicht so meins… Meine Mitreisenden haben es aber tapfer probiert und für okay befunden. Es hätte sogar eine vegetarische Variante gegeben, aber – naja…
Gegessen habe ich trotzdem sehr gut, zum Beispiel am Grassmarket, wo es jede Menge Pubs und Restaurants gibt, unter anderem „Graze“, wo wir uns mittags ganz fabelhafte Salatboxen selbst zusammengestellt haben, für echt kleines Geld und sehr lecker.
Auch noch zu empfehlen ist dieses Thai-Restaurant, das wir nur durch tripadvisor entdeckt haben, weil es völlig versteckt in einer engen Close liegt und von außen eher nicht so einladend aussah. Das Essen war ganz fabelhaft und dazu recht preiswert!
Man kann aber auch in den meisten Pubs gut und einigermaßen günstig essen. Neben dem klassischen Pub-Food wie Haggis, Fish & Chips, Burgers und MacnCheese gibt es immer auch etwas Vegetarisches. Sehr lecker sind auch die „Jacket Potatoes“ genannten gefüllten Ofenkartoffeln, die im Grund wie die türkischen „Kumpir“ zubereitet werden. In der ganzen Stadt gibt es mehrere Läden mit Jacket Potatoes, und ich finde, sie sind das perfekte Mittagessen.
Natürlich waren wir auch mal kurz shoppen. Auf der Princes Street gibt es die üblichen Ketten, und in der Fußgängerzone, die parallel dahinter verläuft, viele kleinere Geschäfte und auch nette Pubs. Ein echter Tipp ist aber sportsdirect.com direkt auf der Hauptstraße – da gibt es Sneaker jeder Marke von Adidas über Nike bis Puma und was weiß ich circa ein Drittel billiger als bei uns. Hätte ich das gewusst, hätte ich in meinem Handgepäck noch ein bisschen Platz frei gelassen… Mein Mann hat es tatsächlich geschafft, noch ein paar Pumas reinzuquetschen, der Glückliche!
Mein Lieblings-Shopping-Tipp für UK sind aber die unzähligen Charity Shops, die man zwar weniger in den Fußgängerzonen der Städte, aber meistens an den ganz normalen Geschäftsstraßen zwischen Friseuren, Reinigungen und indischen Take away-Restaurants findet. Von der „Heart Foundation“ über „Oxfam“ bis hin zum örtlichen Tierheim hat jede Wohltätigkeitsorganisationen ihren eigenen Shop, wo die Locals alles spenden, was nicht mehr gebraucht wird. Freiwillige Helfer verkaufen die Sachen dann für den guten Zweck. Wenn Ihr in England oder Schottland also Vintage Shopping betreibt, tut Ihr auch noch was Gutes – und es finden sich manchmal echte Schätzchen in den Läden. Vom Fascinator bis zur Teetasse ist alles vertreten, und nirgends könnt Ihr Bücher und DVDs so gut erhalten und günstig bekommen!
Last but not least – das Wetter. Das schottische Wetter hatte einige Überraschungen bereit. Es wechselte von warm und sonnig über windig zu klatschnass – und das mehrmals am Tag! Die Schauer waren aber immer nur ganz kurz, und die meiste Zeit war es trocken. Es empfiehlt sich jedenfalls, mit Jäckchen und Schirm immer auf alles vorbereitet zu sein! Und wenn es doch mal zu feucht von oben wird, flüchtet man eben auf ein Glas Bier oder Cider in einen der unzähligen traditionellen oder auch modernen Pubs!